Verfassungsgericht bestätigt teilweise Wiederholung der Bundestagswahl

Karlsruhe/Berlin (Reuters) — Die Bundestagswahl muss in Berlin teilweise wiederholt werden.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe bestätigte damit am Dienstag weitgehend einen Beschluss des Bundestages, dass die Wahl vom September 2021 wegen Pannen bei der Vorbereitung und der Stimmabgabe in etwa einem Fünftel der Wahlbezirke Berlins wiederholt werden muss. Für die Machtverhältnisse im Parlament mit einer Mehrheit für die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP dürfte das keine Auswirkungen haben. Auch die Abgeordneten der aufgelösten Fraktion Die Linke müssen wohl nicht um ihren Verbleib im Bundestag fürchten: Sie sehen ihre Direktmandate nicht gefährdet. (AZ: 2 BvC 4/23)

Der Berliner Landeswahlleiter Stephan Bröchler setzte umgehend als Wahltermin für 455 von 2256 Wahlbezirken den 11. Februar fest. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts folgte damit nicht dem Antrag der Unions-Fraktion im Bundestag, die eine Wahlwiederholung nicht nur in den Wahlbezirken, sondern in den betroffenen sechs von zwölf Berliner Wahlkreisen gefordert hatte. «Der Beschluss des Bundestages ist im Ergebnis überwiegend rechtmäßig», sagte Doris König, Vizepräsidentin des Gerichts. Eine Ausweitung der Ungültigerklärung der Wahl auf sechs der zwölf Berliner Wahlkreise scheide aus.

CDU IM WAHLKAMPFMODUS — SPD UND GRÜNE RUFEN ZUR WAHL AUF

In Berlin sind etwa eine halbe Million der bundesweit über 60 Millionen Wahlberechtigten zur Wiederholungswahl aufgerufen. Es wird mit einer geringeren Beteiligung als 2021 gerechnet.

Die CDU schaltete direkt in den Wahlkampfmodus und rief die Berliner auf, die Wiederholungswahl als Chance zu nutzen, der Ampel-Regierung ein Stoppschild zu zeigen. Generalsekretär Carsten Linnemann verwies darauf, dass die Ampel-Parteien in bundesweiten Umfragen «abgeschmiert» seien. «Jetzt bekommen wir zum ersten Mal belastbare Zahlen. Und die werden mitten ins Mark gehen», zeigte sich Linnemann überzeugt. «Darauf setzen wir.»

Auch SPD und Grüne riefen ihre Anhänger auf, ihr Wahlrecht zu nutzen. Die Berliner SPD-Chefin Franziska Giffey erklärte, es gehe darum, «ein Zeichen zu setzen, dass Berlin demokratisch und weltoffen ist und Rechtspopulisten und Rechtsradikale keine Chance haben». Die Berliner Grünen erklärten: «Gerade in Zeiten der sich zuspitzenden Krisen und wachsender Zustimmung für Rechtspopulismus gilt es Haltung zu zeigen und wählen zu gehen.»

In bundesweiten Umfragen haben seit der Bundestagswahl vor allem SPD und FDP stark an Zustimmung verloren, während Union und AfD deutlich zugelegt haben. Die Grünen liegen in der Nähe ihres Wahlergebnisses. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage für RTL/ntv kommt die Union auf 31 Prozent und damit fast soviel wie die Ampel-Parteien zusammen (SPD 14, Grüne 13, FDP 5). Die AfD läge bei 23 Prozent.

LINKE SEHEN DIREKTMANDATE NICHT IN GEFAHR

Der Bundestag hatte vor über einem Jahr mit der Ampel-Mehrheit eine Wiederholung in 431 Wahlbezirken beschlossen. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe kamen zu einer leicht höheren Zahl, weil sie die Protokolle der Wahlbezirke anforderten und auf Hinweise nach Fehlern prüften. Der Bundestag habe das Wahlgeschehen «unzureichend aufgeklärt», weil er auf die Auswertung der Niederschriften verzichtet habe.

Die teilweise Neuwahl könnte am ehesten noch die frühere Fraktion der Partei Die Linke treffen. Bei einem bundesweiten Wahlergebnis von 4,9 Prozent gelang ihr der Wiedereinzug in den Bundestag 2021 nur, weil sie drei Direktmandate gewann — zwei davon in Berlin, wo Gregor Gysi und Gesine Lötzsch ihre Wahlkreise gewannen. Bei Verlust auch nur eines Direktmandats wären allen Linken nicht mehr im Bundestag.

Dieses Risiko wird bei den Linken aber als gegen Null gehend eingeschätzt. Aus dem Umfeld von Lötzsch hieß es, sie gehe davon aus, dass die Neuwahl das Ergebnis nicht verändern werde und ihr Direktmandat damit sicher sei. Der frühere Vorsitzende der mittlerweile aufgelösten Links-Fraktion, Dietmar Bartsch, sagte der «Rheinischen Post»: «Wir werden bis zum Ende der Legislatur als Die Linke im Deutschen Bundestag bleiben und unsere Aufgabe als die soziale Opposition wahrnehmen.»

Bei der Bundestagswahl war es in Berlin zu zahlreichen Pannen gekommen. In Wahllokalen gab es teilweise zu wenige Wahlurnen oder es fehlten Stimmzettel. Einige Wahllokale schlossen zeitweise oder blieben noch nach 18.00 Uhr geöffnet. Das Verfassungsgericht beurteilte es vor allem als Wahlfehler, dass es teilweise zu wenige Wahlkabinen und Stimmzettel gab und dass es teils zu Wartezeiten von mehr als einer Stunde kam.

(Bericht von Ursula Knapp und Holger Hansen, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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